Niedermann, Paul
(geb., 1.11.1927 in Karlsruhe)
In vielen Zeitzeugeninterviews spricht Paul Niedermann über das Leben als jüdisches Kind in Karlsruhe. Er berichtet außerdem über das Lager Gurs, die Flucht nach Frankreich und wie er auch lange Jahre nach dem Krieg über all die Geschehnisse nicht zu sprechen vermochte. Erst durch den „Barbieprozess“ in Lyon 1987 über die Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten in Frankreich überwand er sein Schweigen. Seither ist er unermüdlich als Zeitzeuge, überwiegend in Süddeutschland, unterwegs und äußerte sich dazu folgendermaßen: „Solange ich noch lebe, kann ich gegen Ungerechtigkeit und Vergessen schreien. Aber wenn ich nicht mehr da bin und meine Generation, dann liegt es an euch aufzuschreien.“[1]
Paul Niedermann lebte mit seiner Familie in Karlsruhe. Zunächst besuchte er die Schillerschule und wechselte dann aufgrund der Rassengesetze auf die „Jüdische Schule“. Am 22. Oktober 1940 wurde Niedermann als knapp Dreizehnjähriger mit seinen Familienangehörigen – Eltern, Großvater und der vier Jahre jüngere Bruder Arnold – im Rahmen der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion aus Karlsruhe in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Nach acht Monaten wurde er in das Lager Rivesaltes am Mittelmeer verlegt. Im Jahr 1942 gelang ihm gemeinsam mit seinem Bruder Arnold die Flucht, die durch die jüdische Untergrundorganisation „Œuvre de secours aux enfants“ (OSE) organisiert wurde. Zusammen mit anderen jüdischen Kindern, zu denen auch der 1928 geborene David Hirsch aus Dirmstein gehörte, wurden die Brüder Niedermann in der Folgezeit an verschiedenen Orten in Frankreich versteckt, unter anderem im illegalen Kinderheim von Izieu (Kinder von Izieu). Arnold Niedermann konnte von der OSE über Portugal nach Baltimore (USA) zur Schwester der Mutter geschleust werden. Paul Niedermann wurde, wie seine Schulfreundin Hanna Meyer-Moses (* 1927), Ende 1943 mit weiteren jüdischen Kindern über die Schweizer Grenze in Sicherheit gebracht.
Mit Ausnahme der beiden Brüder fielen alle anderen verschleppten Familienmitglieder dem Holocaust zum Opfer. Die Eltern wurden 1942 quer durch Europa in Vernichtungslager deportiert; der Vater starb in Majdanek, die Mutter in Auschwitz. Der Großvater war zuvor bereits in Gurs ums Leben gekommen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ sich Paul Niedermann in Frankreich nieder. Er verbrachte sein Arbeitsleben, unter anderem als Journalist und Fotograf, in Paris, wo er auch gegenwärtig im Ruhestand wohnt. Sein Bruder lebte in den USA und starb 2000 in Los Angeles.
Paul Niedermann kehrte, wie viele andere überlebende jüdische Mitbürger, erstmals im Jahr 1988 auf Einladung des damaligen Oberbürgermeisters Prof. Dr. Gerhard Seiler nach Karlsruhe zurück. Mit dem Stadtjugendausschuss e.V. und der Stadtverwaltung erinnerte er die jungen Menschen in zahlreichen Veranstaltungen an die Greueltaten des Nationalsozialismus auch hier in Karlsruhe, wobei es ihm stets ein Anliegen war, Jugendliche aufzurufen ihren Beitrag zu leisten, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.
Im Rahmen dieses Projektes wurden zahlreiche Interviews mit Paul Niedermann aufgezeichnet und in die Stationen sowie den Themenbereichen eingebunden.
Paul Niedermann übergab dem Stadtarchiv Karlsruhe Briefe aus seinem Privatbesitz und willigte der Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen seiner im Lager Gurs internierten Familie und Verwandten ein. Das 2011 erschienene Buch „Briefe-Gurs-Lettres: Briefe einer badisch-jüdischen Familie aus französischen Internierungslagern“ ermöglicht daher nicht nur historisch interessante, sondern auch sehr persönlichen Einblicke.
Quellen
- Wikipedia: Paul Niedermann. Abgerufen am 01. Juli 2017.